Mittwoch, März 16, 2016

Dunkler Bart statt Kopftuch

Frau Heike schreibt über Erfahrungen mit Kopftuchtragen. Ich hatte letzten November eine ähnliche Erfahrung bzw. Beobachtung gemacht.
Wir vier waren auf Einladung von Netflix zu einer Adventsfeier nach München geflogen (jajaja, CO2-Fussabdruck und Kurzstreckenflug, ich weiss das). Das war eine oder zwei Wochen nach den Anschlägen in Paris auf das Bataclan, der Euroairport Basel-Mulhouse-Freiburg ist sozusagen eine Dreiländer- und EU-Aussengrenze, die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm und die Polizisten etc. enorm angespannt. Verständlich. Sehr sogar.
Wir sind also mit unseren zwei Kindern und vier deutschen Pässen zur Kontrolle marschiert, die Pässe aufgeschlagen auf der Fotoseite aufeinandergestapelt. Ich hatte Little L. auf den Arm genommen, der ist nämlich noch zu kurz, um in das Zollkontrollhäuschen reinzuschauen. Die Grenzpolizisten blätterten also den Stapel Pässe durch und bei jedem Foto gab es einen kurzen Kontrollblick: Blonde Frau auf dem Bild, check, blondes Kindergartenkind auf dem Bild, ist jetzt ein Schulkind, aber check, blondes Kleinkind auf dem Bild, ist jetzt auch ein Schulkind, check, bis dahin war das eine Sache von vielleicht ein bis zwei Sekunden. Dann aber kam der Pass des Hübschen dran und warum auch immer, aber er hat auf dem Passfoto von 2011 einen Vollbart. Zusammen mit seiner eher olivfarbenen Haut, den schwarzen Haaren und dem biometrisch verkniffenen Blick liess das sehr offensichtlich die Alarmglocken im Grenzpolizisten schrillen. Man konnte buchstäblich sehen, wie sich seine Augen weiteten, die Körperspannung stieg, wie der Pass von vorne bis hinten durchgeblättert wurde, wie die Augen schnell zwischen dem VERDÄCHTIG!!!!!! aussehenden Foto und dem eher harmlos (der Bart ist zu, wenn überhaupt, einem Dreitagebart verkümmert) aussehenden Familienvater mit immer noch dunklen Haaren und dem akzentfreien Hochdeutsch hin und her wanderten. Das Lächeln, mit dem die extrem aufgeregten „Wir fliegen zu einer Party und werden mit einer Limo abgeholt!“ Kinder und ich bedacht wurden, wich einem ausdruckslosen Polizistengesicht. Letzten Endes war das auch schon alles, klar durften wir den Hübschen mit nach München und auch wieder zurück nehmen, wobei sich genau diese Erfahrung jedes Mal wiederholte, wenn wir unseren Passstapel irgendwo vorzeigten, faktisch ist uns also überhaupt gar nichts passiert. Aber. Allein diese so deutliche Abkühlung der Atmosphäre, die sich mir nicht anders als eben durch das nicht in das „blond, helläugig, harmlos“-Schema passende Bild erklären lässt, die war … eindrücklich. Sehr.
 
 
Kurz danach hat der Hübsche übrigens (aus Trotz?) die Decembeard-Challenge durchgezogen.
Decembeard quadruple

7 Kommentare:

Uschi hat gesagt…

Gleiches Thema hier: Mein Mann, Ur-Norddeutscher, aber eben nicht blond und blauäugig, könnte ein "Haut- und Haarzwilling" von deinem Mann sein. (ECHT!, gleiche Monchichi-Haare und Frisur!)
Bei Ein- und Ausreise vor kurzem nach London, gehe ich durch die Passkontrolle, wer kommt nicht hinterher? Ja ... mein Mann. Mehrmals wurde der Ausweis durchs Gerät gejagdt, nach dem Motto, da muss doch eine Fahndungsmeldung kommen! Wer SO aussieht ist verdächtig. Und, Superbonus, er hat auch noch am 11.09. Geburtstag und einen Nachnamen, der eigentlich finnisch ist, aber eingedeutscht sehr indisch/arabischer Herkunft scheint ... !
Es ist ja lobenswert, dass so genau kontrolliert wird, aber es war eine sehr merkwürdige Atmosphäre ...

rage hat gesagt…

frag mich mal mit meinem belgischen nachnamen, den zum glück fast jeder für niederländisch hält.

Mühlenmeisje hat gesagt…

Ohhh auch dunkelblond (mittlerweile grau) und blaue Augen schützen nicht vor diesen Situationen... Bei jeder Passkontrolle meines Mannes passiert folgendes: Beamter stutzt, guckt sich den Pass an, schiebt den Pass nochmals in Lesegerät, guckt meinen Mann genau an, kontrolliert nochmals (mittlerweile wird die Schlange hinter uns immer länger), ruft einen Kollegen, der dann mit irgendwelchen Zentralen telefoniert und dann wild gestikuliert, dann werden irgendwelche seltsamen Fragen gestellt und erst dann - gefühlte Stunden später - darf mein Mann (blaue Augen, kurze graue Haare, hellhäutig mit Sommersprossen, so knappe 1,80 m gross, kein Bart) durch.
Keine wilden Geschichten in der Vergangenheit, arbeitsbedingt allerdings Visa aus Ländern wie Malaysia, Ukraine, Indien etc. aber das ist wohl auch nicht der Grund, denn der neue Reisepass (niederländisch übrigens) ist noch nicht mit Visa versehen.

Aber hey, ich kann das immer noch toppen, denn wegen mir wurde mal ein Flugzeug auf Heathrow eine Stunde aufgehalten. Ich sage nur, Doppelnamen können manchmal seeeeehhhr nervig sein, aber in unserem Fall ging es halt Länderbedingt (das niederländische Namensrecht bei Heirat unterscheidet sich vom deutschen) nicht anders.

Seitdem fühle ich mit jeder/m mit!

Anonym hat gesagt…

Da hätt ich auch Angst gekriegt ;-) also bei Foto 4...

Sigrid hat gesagt…

Das zeigt aber wieder einmal, wie sehr wir auf bestimmte Stereotypen reagieren.
Und ich gebe zu: Auf der Straße hätte ich ihn bei Bild vier auch eher in die sehr südländische Ecke gesteckt.

Anonym hat gesagt…

Und der so arabisch klingende Name...
Da muss SOFORT das Antiterror-Kommando herbeizitiert werden!
Mein Vater (Typ Wikinger, optisch wie Hägar der Schreckliche) nannte diesen Menschentyp (inkl. meinem Mann) immer fußkranke Römer (als Anspielung auf das Römische Reich und die entsprechende Besiedelung).

Wolfram hat gesagt…

Das ist so ganz neu nicht. Als vor ein paar Jahren Bush in Mainz war, musste ich ausgerechnet an dem Tag vom Elsaß nach Deutschland fahren - und nahm wie üblich den Übergang zur B9 bei Lauterbourg. Wäre ich doch durchs Dorf gefahren, da wurde wahrscheinlich nicht kontrolliert...
So aber besah sich der Grünrock meinen Personalausweis mit dem vollbärtigen Foto, mein glattrasiertes Gesicht - und forderte mich auf, an die Seite zu fahren. Ich möchte bitte den Motor abschalten und im Auto bleiben.
Dann wechselte er ein paar Worte mit dem anderen Grünrock und verschwand, meinen PA in der Hand, in der ehemaligen Zolldienststelle.
Geschlagene 20 Minuten später kam er wieder und bedeutete mir knapp, ich könne weiterfahren, es hätte alles seine Ordnung.

Spinnert ist es trotzdem.